Chinesen leben im Internat „wie auf einer Insel“

30.03.2020

Chinesen leben im Internat „wie auf einer Insel“

In ganz Deutschland sind die Schulen geschlossen – und damit auch viele Internate. Aber nicht alle Schülerinnen und Schüler können nach Hause. In Königsfeld im Schwarzwald wurden die meisten Bewohner des Internats der Zinzendorfschulen zu ihren Familien geschickt – bis auf die Jugendlichen aus China, die hier zum Teil seit vier Jahren das Gymnasium besuchen.

„Die Stimmung hier ist gut“, freut sich der Internatsleiter der Zinzendorfschulen, Br. Jünemann. Gemeinsam mit den Erziehern, den Hauswirtschafterinnen und einem Teil des Küchenteams versorgt und betreut er 17 chinesische Schülerinnen und Schüler, die im derzeit geschlossenen Internat leben. Sie können nicht nach Hause fliegen, da sie sich anderenfalls bei der Rückkehr 14 Tage lang auf eigene Kosten und selbstorganisiert in Quarantäne begeben müssten – sofern eine Einreise überhaupt möglich ist.

Also blieben sie in Königsfeld und bearbeiten - wie ihre Mitschüler auch - die Aufgaben, die ihnen ihre Lehrer online über das Programm Teams stellen. „Wir haben den Tagesablauf etwas gelockert“, sagt Jünemann, „so gibt es zum Beispiel erst um 9 Uhr Frühstück anstatt um 7 Uhr, außerdem dürfen sie in Jogginghosen frühstücken.“

Nach der Lernzeit und dem Mittagessen haben sie frei. Nach draußen gehen sie aber aus Angst vor Ansteckung kaum noch. „Es herrscht eine Art gegenseitiges Misstrauen hier im Ort“, bedauert der Internatsleiter. „Viele Königsfelder wechseln die Straßenseite, wenn sie die chinesischen Schüler sehen, dabei waren sie schon ein Vierteljahr nicht mehr zu Hause und hatten keinen persönlichen Kontakt zu Verwandten aus China.“ Ohnehin ist ihre Heimat mindestens 500 Kilometer von Wuhan entfernt und oft noch weiter, denn die meisten stammen von der Küste. Ihre Eltern machen sich Sorgen, denn im Moment ist das Infektionsrisiko in Europa deutlich größer als in Asien. „Im Internat leben sie wie auf einer Insel und befürchten eher, dass von den Erziehern eine Krankheit ins Internat kommen könnte.“

Dass einige trotzdem Masken tragen, hat kulturelle Gründe. „In China hat es Tradition, dass die Menschen versuchen, sich mit Masken zu schützen, das ist kein Zeichen von Erkrankung.“

Der 18-jährige Jiaan, der seit vier Jahren im Zinzendorfinternat lebt und dieses Jahr sein Abitur macht, geht zur Zeit nicht mehr joggen, sein Mitschüler, der sich in Deutschland Wilhelm nennt ( „Meinen chinesischen Namen kann hier ohnehin niemand richtig aussprechen.“ ) fährt nicht mehr Rad. Trotz der Einschränkungen in dieser besonderen Zeit fühlen sie sich wohl in Königsfeld. „Nach dem Lernen sehe ich mir Filme an oder liege am Fenster in der Sonne. Dabei lese ich oder höre Musik“, sagt Jiaan. Wilhelm legt abends noch öfter eine Lerneinheit ein. „Wir bekommen zu viele Aufgaben“, klagt er und meint: „Eigentlich müssten die Lehrer einen Stundenplan von mir bekommen.“

Die chinesischen Schülerinnen und Schüler verbringen ihre Freizeit gemeinsam - entweder mit Gesellschaftsspielen, im internatseigenen Fitnessraum, beim Essen oder beim abendlichen gemeinsamen Kochen. „Sie leben im Grunde in einer WG, in einem gemeinsamen Haushalt“, sagt Br. Jünemann, der in engem Kontakt zum Gesundheitsamt steht und darauf achtet, dass die Hygieneregeln streng befolgt werden.

Außerdem machen sie sich nützlich und stellen zum Beispiel einem längst pensionierten Erzieher, der sonst täglich in der Mensa isst, sein Mittagessen vor die Tür. „Das machen sie richtig gerne“, konnte der Internatsleiter feststellen.