Das Schicksal trieb Alastair durch die Welt – und auch nach Königsfeld

22.09.2025

Das Schicksal trieb Alastair durch die Welt – und auch nach Königsfeld

„Quo Fata Ferunt – Wohin uns das Schicksal treibt“ lautet der Wahlspruch der Inselgruppe Bermuda. Für Alastair Williams aus dem britischen Überseegebiet könnte dieser Satz kaum passender sein: Das Schicksal führte ihn im zarten Alter von zehn Jahren aus dem Atlantik in den Schwarzwald, wo er von 1956 – 1958 im Internat der Zinzendorfschulen in Königsfeld lebte. Warum er gerade hierher kam, weiß er bis heute nicht genau. „Meine Mutter, eine US-Amerikanerin, die ihrerseits in den 1920er Jahren ein Gymnasium in Deutschland besucht hatte, ging damals in die Schweiz“, erinnert er sich. Während sein Bruder beim Vater auf Bermuda blieb, nahm sie Alastair mit nach Europa – „und setzte mich in Königsfeld ab“, wie er es heute lakonisch beschreibt.

Mehr als 70 Jahre später brach er im Sommer dieses Jahres mit seiner Frau zu einer Reise nach Deutschland auf, die ihn auch an die Zinzendorfschulen führte und so manche Erinnerung weckte.

Der Junge sprach damals kein Wort Deutsch – obwohl die Familie auf Bermuda ein deutsches Kindermädchen hatte. „Ich war stur und wollte die Sprache nicht lernen“, sagt er heute schmunzelnd. Doch das Leben im Internat zeigte ihm schnell, wie hilfreich es ist, sich verständigen zu können. Eine besondere Bezugsperson wurde für ihn die Frau des Hausmeisters, die ihm geduldig die neue Sprache beibrachte. Bereits nach drei Monaten konnte er dem Unterricht folgen.

Alastair war damals der einzige internationale Schüler. Seine Erinnerungen an die Schul- und Internatszeit sind lebendig und durchweg positiv – auch wenn er zugibt, dass ihm die langen Wege und das ungewohnte Klima zu schaffen machten. „Ich war die Kälte nicht gewohnt, aber zum Glück hatte ich nachts ein warmes Federbett.“

Etwa zehn bis fünfzehn Jungen teilten sich eine Stube. Die Mahlzeiten waren einfach und oft gab es Kartoffeln. Aufgegessen werden musste immer. Einmal saß er stundenlang am Tisch, weil er sich weigerte, seinen Teller zu leeren – wieder ein Zeichen seines kindlichen Eigensinns, wie er selbst rückblickend sagt. „Ich war im Survival-Modus“, beschreibt er seine damalige Haltung.

Der Alltag war von Struktur und Ritualen geprägt: Auf dem morgendlichen Weg vom Internat in die Schule legten die Schüler zum Gebet einen Halt im Kirchensaal ein. In seiner Freizeit spielte Alastair Fußball und Handball, lernte Schach von einem älteren Mitschüler und sprach bald Englisch mit deutschem Akzent, was später auf der anderen Seite des Atlantiks ziemlich auffällig war.

An enge Freundschaften aus dieser Zeit kann er sich nicht erinnern – er war mehr Beobachter als Mitspieler. So hat er damals Albert Schweitzer gesehen, wie er durch Königsfeld spazierte, aber angesprochen hatte er ihn nicht.

Die zwei Jahre am Internat der Zinzendorfschulen haben ihn geprägt und schnell erwachsen werden lassen. Seine Selbstständigkeit wurde früh gefordert: In den großen Ferien reiste der Zehnjährige allein mit dem Bus und Zug über Peterzell, St. Georgen und Konstanz bis nach St. Gallen – dort holte ihn seine Mutter am Bahnhof ab.

Eine Anekdote ist ihm besonders im Gedächtnis geblieben: Auf dem Rückweg brachte er ein Päckchen Kaffee für die Frau des Hausmeisters mit. Doch ein Schaffner roch den Kaffee, konfiszierte ihn – und ein mitreisender Fremder, der seinerseits einen ganzen Koffer voller Kaffeepäckchen schmuggelte und die Aufmerksamkeit des Schaffners Alastair lenkte, ersetzte ihm den Verlust, sobald der Uniformierte außer Sichtweite war.

Auch der endgültige Abschied von Königsfeld war eine Reise auf eigene Faust: Von Zürich aus flog Alastair zurück nach Bermuda, wo ihn sein Vater in Empfang nahm. Dort blieb er fünf Jahre lang, bis er wieder nach Europa ging – diesmal ging es auf das United World College of the Atlantic, ein Internat in einer mittelalterlichen Burg in Wales. Vergleichen könne man die beiden Internate nicht, schon allein wegen der deutlich älteren und internationaleren Zielgruppe. Über seine Zeit in Königsfeld sagt Alastair Williams: „Ich habe es genossen, hier zu sein.“


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