"Schwarz ist nicht die Farbe der Trauernden"

03.02.2017

„Im Himmel haben alle Flügel“,  sagte einmal ein kleines Mädchen, dessen Mutter im Hospiz nach langer Krankheit starb. Die Kunsttherapeutin und Sterbe- sowie Trauerbegleiterin Barbara Hummler-Antoni wählte dieses Zitat als Titel für ihren Vortrag an den Zinzendorfschulen, in dem sie zahlreichen Betroffenen und Interessierten erläuterte, wie Kinder trauern und Erwachsene sie dabei am besten betreuen können.



Der Tod als unumkehrbares Ende aller lebensnotwendigen Körperfunktionalitäten aus physikalischem oder biologischem Grund sei die dramatischste, aber nicht die einzige Verlustsituation, erklärte sie. Neben dem Tod von Verwandten oder Haustieren betrauern Kinder auch beispielsweise den Wegzug des Freundes in eine andere Stadt, wenn ihre Eltern nicht mit ihnen den Tag im Kindergarten verbringen oder die Abenddämmerung.


Die meisten Menschen hätten keine Angst vor dem Tod, jedoch vor dem Sterben.  Kleine Kinder gehen oft unbefangen mit dem Tod um, da sie ihn zunächst als eine vorübergehende, befristete Trennung ansehen, so Barbara Hummler-Antoni. „Erst mit zunehmendem Alter lernen sie, dass der Tod nicht rückgängig zu machen ist, dann steigt auch die Abwehr.“ Im Grundschulalter wird der Tod oft figürlich dargestellt, etwa als Skelett oder Sensenmann, aber auch das Bild von einem Loch oder Keller wählen Kinder häufig. Besonders schwer trifft sie der Verlust  eines Familienmitglieds, denn „das ist immer auch ein Identitätsverlust.“


Um darüber hinwegzukommen, bräuchten Kinder Zeit, Zuwendung und Zuversicht. Trauerrituale könnten helfen, auch Hilfsangebote von Außenstehenden sollten durchaus angenommen werden. „Wer mit einem trauernden Kind zu tun hat, darf auch selbst Gefühle zeigen“, sagte sie. Ehrlichkeit sei wichtig und die Wahl der richtigen Worte. Metaphern wie „Opa ist eingeschlafen“, könnten Ängste auslösen:  „Kleine Kinder trauen sich dann oft nicht mehr, zu schlafen.“


Zum Tod durch Krankheit und Alter ist in den letzten Jahren auch verstärkt der Tod durch Gewalt  - zumindest in den Medien – für viele Kinder und Jugendliche präsent. Seit Winnenden ist Sterben auch bei jungen Menschen, die noch keine Familienangehörigen verloren haben, ein Thema.  „Eine Studie aus dem Jahr 2004 hat ergeben, dass jeder Mensch bis zu seiner Volljährigkeit 18000 reale und fiktionale Todesfälle mitbekommen hat.  


Das sei das Alter, in dem Jugendliche allein den Tod eher verdrängen. In einer Gruppe dagegen, etwa im Konfirmandenunterricht, seien sie sehr an Themen rund um den Tod interessiert und neugierig, etwa im Gespräch mit einem Bestatter, was auch in der Diskussionsrunde bestätigt wurde.


Am Nachmittag hatte Barbara Hummler-Antoni einen Workshop angeboten, an dem Schüler und Lehrer verschiedener Schularten der Zinzendorfschulen teilnahmen.   „Der Tod begegnet früher oder später jedem, daher ist es gut, wenn man sich damit auseinandersetzen kann“, erklärte ein Schüler, warum er an dem Workshop teilnahm.


Beim zirkulären Malen bekamen die Teilnehmer Einblick in die Situation von Menschen, die nicht mehr viel Zeit zum Leben haben.  Jeder Teilnehmer hatte ein Blatt Papier und eine Schachtel Wachsmalkreiden vor sich und malte ein Motiv seiner Wahl darauf. Die einen entschieden sich eher für geometrische Muster, andere für  Blumen oder das Meer, einige füllten das ganze Blatt, die nächsten nur eine Ecke. Nach jeweils einer Minute ertönte ein Gong und das Blatt wurde im Uhrzeigersinn für eine Minute so oft weitergereicht, bis die Bilder wieder beim Urheber waren. „Man erfährt dabei sehr viel“, erklärte die Kunsttherapeutin. Wie bei einer lebensverkürzenden Diagnose müssen die Maler die Kontrolle abgeben, sie haben nur begrenzt Zeit, sie wissen nicht, was diejenigen, in deren Hände sie ihr Werk weiterreichen, damit tun.“


Die Teilnehmer hatten dieses spannende Experiment ganz unterschiedlich aufgenommen. Die einen empfanden es als schwierig, ihr eigenes Bild weiterzugeben, andere hatten Skrupel, das Werk des Nachbarn zu verändern. Menschen setzte niemand in das gemeinschaftliche Bild und  - obwohl Tod und Abschied das Thema des Tages waren – wählte kaum jemand dunkle Farben. Alle Bilder strahlen Wärme und Fröhlichkeit aus. „Schwarz ist nicht die Farbe der Trauernden“, weiß die Trauerbegleiterin aus langjähriger Erfahrung.


Der thematisch ausgerichtete Tag mit Workshop, Ausstellung diverser Vereine und Institutionen sowie einem Vortrag am Abend gehörte zum umfangreichen Programm der Hospizbewegung ambulant Schwarzwald-Baar e. V., das dieser im Rahmen seiner Jubiläumsfeierlichkeiten organisiert hat.

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