ADHS: Tipps vom Fachmann Hans-Josef Biegert

06.06.2014

ADHS: Tipps vom Fachmann Hans-Josef Biegert

Rund 5 Prozent aller Kinder und Jugendlichen leiden unter ADHS, für Eltern und Pädagogen ist es nicht immer einfach, ihnen und den Mitschülern gleichzeitig gerecht zu werden. Was genau ADHS ist und wie man damit umgehen kann, erklärte der auf dieses Syndrom spezialisierte Lehrer und Schulleiter Hans-Josef Biegert aus Bonn.
Patricia Ödell von der ADHS-Selbsthilfegruppe VS-Schwenningen und Mutter von zwei Kindern an den Zinzendorfschulen hatte diesen Vortrag organisiert. "Im vergangenen Jahr hatten wir ein Klassentreffen", sagte sie. "Von 16 meiner ehemaligen Mitschüler hatte ein Drittel großes Interesse an dem Thema. Auf der Bildungsmesse Didakta traf ich dann die Leiterin der Fachschule für Sozialwesen und Sozialpädagogik der Zinzendorfschulen, wo wir darüber gesprochen haben, das Thema in die Schule zu bringen, denn genau da gehört es hin."
Unter den rund 80 Zuhörern waren neben Eltern und Lehrern auch zahlreiche Schüler der Fachschulen zu dem Vortrag gekommen, bei dem die Problematik von ADHS und Lösungswege erklärt wurden, denn auch sie werden später im Beruf ziemlich sicher mit ADHS-Kindern zu tun haben. "Psychisch auffällige Kinder stellen die schwierigste Herausforderung für gemeinsames Lernen dar", sagte Biegert. "Ein ADHS-Kind bringt den Laden jeden Tag durcheinander."
Doch was genau ist ADHS? Es ist eine Mischung aus Unkonzentriertheit, Impulsivität und Hyperaktivität, erklärte er. "Wobei das mit der Unkonzentriertheit auch nicht immer stimmt", räumte er ein. "Geben Sie einem ADHS-Kind einen Gameboy oder eine Playstation, kann es sich wunderbar konzentrieren."
Die ständige negative Rückmeldung erwachsener Bezugspersonen, seien es Lehrer oder Eltern, führe zu einer Beeinträchtigung des Selbstbildes, was die Probleme für die betroffenen Kinder und Jugendlichen noch verstärkt. Biegert stellte seinem Publikum imposante Zahlen vor: Von Kindern ohne ADHS haben 6,5 Prozent bereits in der Grundschule Probleme - mit ADHS sind es 30 Prozent. 35 Prozent aller ADHS-Kinder besuchen eine Sonderschule, sonst läge die Quote bei 3 Prozent, 20 Prozent seien notorische Schulschwänzer (5 Prozent ohne ADHS), 80 Prozent werden mindestens ein Mal nicht in die nächste Klasse versetzt (24 Prozent) und 31,1 Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss (4,4 Prozent bei Kindern und Jugendlichen ohne ADHS).
Dennoch dürfe man nicht vernachlässigen, dass Kinder mit ADHS im gesamten Spektrum des Intelligenzquotienten zu finden seien. Weil ADHS eine Selbstregulierungsstörung sei, bräuchten betroffene Kinder eine Fremdregulation. "Man muss ihnen Strukturen geben", sagt Biegert. Das könnten bestimmte Rituale sein wie das Aufstehen, wenn der Lehrer in die Klasse kommt oder auch die Stillen Fünf Minuten, mit denen an den Zinzendorfschulen traditionell die erste Stunde am Morgen beginnt.
Innerhalb einer Schulstunde steige der Lärmpegel ohnehin, deshalb sei es wichtig, auf einem möglichst niedrigen Lärmniveau zu starten. "Man muss also zunächst eine Situation erschaffen, mit der ein Unterricht überhaupt erst möglich ist und diese dann aufrechterhalten." Im Umgang mit ADHS-Kindern empfiehlt Hans-Josef Biegert ein auf drei Säulen aufbauendes Konzept: Es muss Selbstregulationsfähigkeit, die Anpassungsfähigkeit sowie das Selbstbild und die Selbstwirksamkeit der Kinder und Jugendlichen gefördert werden. Schließlich gelte: "Nicht das ADHS ist das Problem, sondern wie wir damit umgehen!"

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