Dankbar für die Chance auf eine Zukunft

17.10.2017

Dankbar für die Chance auf eine Zukunft

 „Wenn man etwas wirklich will, dann schafft man es auch“, sagt Haroon, der diese These selbst am besten untermauert: Innerhalb von nur sechs Wochen hat der irakische Flüchtling die deutsche Sprache so gut gelernt, dass er auf dem Gymnasium der Zinzendorfschulen  aufgenommen wurde und sich ohne Probleme in das für ihn völlig neue Schulsystem integrieren konnte – genau wie sein Mitschüler Imad, der die Parallelklasse besucht.  „Wir wurden sehr herzlich aufgenommen“, sagen sie. In verschiedenen Fächern bekommen sie manchmal ein bisschen mehr Zeit, um die Aufgaben zu lösen, ihre Lehrer können sie auch jederzeit ansprechen, wenn etwas unklar ist.  
Das Schulsystem ist in Deutschland ein ganz anderes. „Im Irak gab es für jedes Schulfach ein Buch, das wir auswendig lernen mussten“, erinnert sich Haroon. „Hier jedoch geht es darum, zu verstehen und nicht ums Auswendiglernen.“ Seine Wissbegier kennt kaum Grenzen, denn dadurch, dass er  zwei Jahre lang nicht zur Schule gehen konnte, vermisste er das Lernen umso mehr.
Die zwei Jahre Altersunterschied zu ihren Mitschülern in der 10a und 10b sind für Imad und Haroon nicht entscheidend.  „Wir können uns ohnehin nicht mit Gleichaltrigen vergleichen, denn wir haben ganz andere Dinge erlebt als sie. Wir haben unsere Kindheit verloren.“
Als Haroon 14 Jahre alt war, ist seine Familie vor dem IS in die Türkei geflohen, wo sie Illegale waren, denn sie hatten in den Wirren ihre Pässe verloren. Sein Vater schlug sich über die Balkanroute zu Fuß nach Deutschland durch, wo einer seiner Onkel als Arzt arbeitet. Sein Vater kam nach Donaueschingen,  von wo aus er für seine Familie einen Termin bei der deutschen Botschaft in Ankara arrangierte. Haroon, der währenddessen die Rolle des Familienoberhauptes übernahm, ging mit seiner Mutter und seinen Geschwistern zunächst wieder zurück in den Irak, wo sie monatelang in einem anderen Flüchtlingslager lebten, bevor sie am 7. Juni 2016 mit dem Flugzeug in München landeten.
In Villingen besuchte Haroon einen Sprachkurs, der mit den Sommerferien endete und sollte dann – genau wie sein Freund Imad, den er während des Kurses kennenlernte, auf eine Berufsfachschule gehen. „Die staatlichen Gymnasien haben uns nicht aufgenommen“, sagen Imad und Haroon. Durch privates Engagement der pensionierten Lehrerin aus St. Georgen Judith Baudis, die Haroon inzwischen „meine deutsche Mama“ nennt und Sr. Berberich-Ebner - "unsere deutsche Patin" - verbesserte Haroon seine Sprachkenntnisse enorm und sprach innerhalb von sechs Wochen fließend deutsch, so dass Br. Treude ihm die Chance gab, an den Zinzendorfschulen die allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Er erzählte seinem Freund Imad davon und ermutigte ihn, sich ebenfalls zu bewerben – mit Erfolg.
So haben die beiden kurdischen Flüchtlinge nach eigenen Aussagen zwei Wunder erlebt: „Das erste Wunder ist, dass wir noch leben, das zweite, dass wir  die Chance bekommen, unsere Träume zu verwirklichen.“ Haroon möchte Medizin studieren und Imad Informatik. Beide haben zweiwöchige Berufspraktika an entsprechenden Stellen abgelegt.

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